Compleo Charging Solutions AG
Interview mit Gerrit Kehrenberg, Leiter Einkauf der Compleo Charging Solutions AG
Compleo ist dank der E-Mobilität auf einem starken Wachstumspfad. Wie meistert Ihr Einkauf das?
Die Grundlage eines erfolgreichen Einkaufs ist ein starkes Team. Teamwork und die Pflege des Teamgeistes sind jedoch unter den Bedingungen der Coronaregeln und Arbeiten im Homeoffice eine echte Herausforderung. Trotzdem arbeiten wir daran, uns auch in der digitalen Zusammenarbeit als Team optimal miteinander abzustimmen und Teamspirit eben auch remote aufrechtzuerhalten. Das ist sehr wichtig, da die Herausforderungen mit Blick auf die schwierigen Beschaffungsmärkte und unser Wachstum gewaltig sind. Aus meiner 23jährigen Erfahrung im Einkauf verschiedenster Unternehmen und Branchen kann ich sagen, dass ich bisher noch nie derart herausfordernde Umfeldbedingungen erlebt habe. Die Konsequenz wird sein, dass wir unser Team mit weiteren Einkäufern massiv ausbauen werden, um Lieferanten bzw. Innovationspartner besser managen zu können und den Einkauf strategisch für die Zukunft zu rüsten.
Wir prüfen, inwiefern wir Lieferanten zu Innovationspartnern aufbauen können. Diese strategisch wichtigen Lieferanten sind wichtige Faktoren für unser Wachstum. Dabei folgen wir dem Total-Cost-of-Ownership-Ansatz. Wir entscheiden uns für Lieferanten nicht nur aufgrund des Preises, sondern betrachten die Zusammenarbeit ganzheitlich. Compleo verfolgt eine Vielzahl neuer innovativer Projekte und benötigt Lieferanten, die uns dabei auch mit technischem Know-how in der entsprechenden Schnelligkeit und Qualität begleiten können.
Die Besonderheit bei Compleo ist, dass der Einkauf am Chief Technical Officer angebunden ist.
So sind der strategische Einkauf und die wichtigen Lieferanten von Beginn an in die Produktentwicklung eingebunden. Dadurch zeigt sich, wie wichtig der Einkauf und die Lieferanten für Compleo sind. Um diese strategischen Lieferanten bestmöglich zu managen, braucht es ein starkes Einkaufsteam mit ausreichenden Kapazitäten. Dies hilft uns, unsere Innovationskraft in Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten weiter auszubauen und sicherzustellen, dass die Materialkostenziele sehr früh im Produktentwicklungsprozess ausreichend gewürdigt werden.
Stichwort Digitalisierung, wo stehen Sie da?
Digitalisierung ist für uns Bestandteil der Wachstumsstrategie. Daher haben wir diesen Prozess schon längst angeschoben. Wir führen gerade ein neues ERP-System ein, das uns hinsichtlich Compliance und Revisionssicherheit, aber auch Prozesseffizienz nachhaltig weiterhelfen wird. Waren vor zwei Jahren bei Compleo noch hundert Menschen beschäftigt, sind es inzwischen über sechshundert. Daher gehen wir all die Themen mit Hochdruck an und sehen noch viele Potenziale.
Wie entgegnen Sie Lieferengpässen beim Thema Elektronik?
Das ist ein Thema, das uns schon seit einiger Zeit begleitet und noch den Rest dieses Jahres begleiten wird. Aktuell lösen wir das zunächst mit enorm viel Aufwand. Unser internes Prioritätenziel Nummer eins ist das Thema Versorgungssicherheit. Dazu arbeiten wir eng mit der Produktentwicklung zusammen.
Wenn Bauteile oder Komponenten nicht verfügbar sind, prüfen wir intern und bei den Lieferanten, ob es technische Alternativen gibt, die wir einsetzen können. Finden sich keine Alternativen, müssen wir überlegen, wie hoch der Aufwand für ein Re-Design ist.
Um passende Lieferanten in Asien zu finden, haben wir eine Kollegin in China als Unterstützung. Sie hilft uns, vor Ort Bezugsquellen zu finden. Ab und zu muss man auch bei einem Broker etwas dazukaufen, allerdings zu sehr hohen Mehrkosten. Versorgungsengpässe bedeuten lieferantenseitig intensive Kommunikation, leider auch Eskalationen und viele Gespräche mit bestehenden Lieferanten. Dazu braucht man Manpower.
Wir nutzen aber auch potenzielle Synergien aus den Übernahmen der ehemaligen wallbe GmbH und der ehemaligen innogy eMobility Solutions GmbH. Diese Unternehmen entwickeln ähnliche Produkte wie wir, haben aber teilweise andere Lieferanten. So können wir im Rahmen der Integration dieser Unternehmen neue Lieferanten sondieren und aufbauen.
Gute Einkäufer*innen finden, was gibt der Markt her?
Ich denke, dass wir aufgrund unseres Wachstums, unserer Innovationskraft und unserer Branche ein sehr interessanter Arbeitgeber sind. Wenn ich mir die eingehenden Bewerbungen anschaue, bestätigt sich das. Wir bekommen viele Bewerbungen, müssen jedoch aufgrund des anspruchsvollen Umfelds unserer Industrie besonders intensiv auf die Qualifikation der Bewerber achten. Trotz Fachkräftemangel wollen wir aber nicht um jeden Preis einstellen – auch wenn der Aufbau des Teams höchste Priorität hat. Für uns ist es wichtig, dass die Bewerber fachlich sowie menschlich ins Team und zum Unternehmen passen. Dabei ist Veränderungsbereitschaft von hoher Bedeutung – zumal unser Umfeld sehr fordernd und dynamisch ist. Neue Mitarbeiter, die wir einstellen, erfüllen genau diese Anforderungen.
Lieferkettengesetz und ESG – Sind Sie schon vorbereitet oder wie schafft man das Thema auch noch?
Das Lieferkettengesetz hat ebenfalls eine hohe Priorität. Aber auch wenn es diese Vorgaben nicht geben würde, spielt Nachhaltigkeit für Compleo eine zentrale Rolle. Wir setzen dabei auch auf externe Experten, die uns begleiten und uns geholfen haben, einen Code of Conduct zu erstellen. Ziel ist es, dass alle Lieferanten diesen noch im Jahr 2022 verbindlich akzeptieren.
Als börsennotierte Aktiengesellschaft werden wir zudem besonders in die Pflicht genommen und müssen uns mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Die Strategie ist aktuell im Aufbau und wird im zweiten Quartal 2022 veröffentlicht. Wir arbeiten zudem an der Erstellung eines ESG-Rating, das ebenfalls im zweiten Quartal dieses Jahres erstellt wird.
Die Supply Chain, also sowohl die Nachhaltigkeit der direkten Lieferanten als auch die der Vorlieferanten zu prüfen, ist für uns vergleichsweise einfach, da wir viele Lieferanten in Deutschland und im europäischen Ausland haben. Aber auch da müssen wir sicherstellen, dass die Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden. Konfliktmaterialien kommen bei Compleo nicht zum Einsatz. Aber auch bei dem Thema REACH und RoHS müssen uns die Lieferanten bestätigen, dass sie diese Richtlinien befolgen.
REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation of Chemicals (Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien). Die REACH-RoHS Richtlinien der EU soll helfen, die Gefahren und Risiken, von Chemikalien in Produkten transparent zu machen und gesundheitsgefährdende sowie umweltschädliche Stoffe sowie Chemikalien in elektrischen oder elektronischen Geräten als auch deren Bauteilen zu reduzieren.
Im Rahmen des ESG geht es auch um das Verhältnis und die Compliance-Regeln der Unternehmen zu ihren Lieferanten. Es gilt, wertbezogene Maßstäbe für die gesamte “Lieferkette” aufzustellen und deren Einhaltung nachhaltig durchzusetzen (“ESG-Compliance”) Hierfür haben wir eine Whistleblowing-Plattform eingerichtet. Ziel ist es, Mitarbeitern und Externen zu ermöglichen, Meldungen über Ungereimtheiten im Geschäftsablauf sowie Compliance-Verstöße im Geschäftsbetrieb zu machen. Sowohl Mitarbeiter als auch Geschäftspartner können sich über die Plattform melden, wenn sie Verstöße bemerken, die sie im Rahmen der Compliance-Regeln für meldepflichtig halten.
Akquisitorisches Wachstum: Sie haben gerade eine Tochtergesellschaft von E.ON akquiriert. Wie bewerkstelligt der Einkauf die Integration?
Die Erfolgsformel lautet: Analyse, Strategie, Implementierung. Wenn wir ein neues Unternehmen integrieren, schaffen wir zunächst eine umfassende Datentransparenz. Wer sind die Lieferanten? Wie sind die Lieferantenbeziehungen gestaltet? Wie sehen die Verträge aus? Was haben die Unternehmen prozessual gemacht? Wie haben sie mit den Lieferanten zusammengearbeitet? Welche Stakeholder hatten sie intern? Welche Schnittstellen gab es und wie können wir das in unser Umfeld integrieren? Dann gehen wir auf die Lieferanten zu und erklären die Philosophie von Compleo und unser Mindset. Nach der Analyse der Daten und Umgebung folgt die Strategie sowie die Implementierung in Form von Maßnahmen.
Darüber hinaus stehen jetzt auch kurzfristig Vertragsverhandlungen mit den Lieferanten der integrierten Unternehmen an. Das heißt, die operativen Themen sind auf dem Tisch und diese meistern wir einkaufsseitig. Dabei ist es hilfreich, dass die übernommenen Unternehmen identische Warengruppen haben, da wir ähnliche Produkte bauen. Teilweise haben wir jedoch eine andere Fertigungstiefe.
Zum Thema Strategie: Wir bauen unsere Warengruppen-Strategien unternehmensweit aus. Das ist ein elementarer Bestandteil eines erfolgreichen strategischen Einkaufs, der gut durchdacht und strukturiert werden muss. Daraus ergeben sich wichtige Synergien und Bündelungspotenziale für den Einkauf, aber auch für die Technik. Diese bekommt für die Zukunft völlig neue Möglichkeiten, ein innovatives Produktportfolio zu entwickeln.
Nachdem die Transparenz geschaffen wurde und die Strategie steht, wird diese in konkrete Maßnahmen umgesetzt, eben die Implementierung.
Vielen Dank für das Interview!
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