Interview mit Prof. Dr. Karl Pilny
Freihandelsabkommen RCEP: Große Chancen für den Mittelstand
Südostasien ist noch aus einem weiteren Grund eine große Chance, da wir hier mit dem Regional Comprehensive Economic Partnership Abkommen (RCEP) seit 2022 mit 15 Ländern eine wichtige Freihandelszone haben. Was wollen Sie den Unternehmen hierzu mit auf den Weg geben?
Im Rahmen von RCEP sollen in den meisten Branchen bis zu neunzig, fünfundneunzig Prozent der Zölle und Einfuhrzölle abgeschafft werden. Oder Herkunftszertifikate, also Letters of Origin sind innerhalb von RCEP auch leichter zu handhaben. RECP ist daher ein potenziell starker weltweiter Gamechanger in Sachen Wirtschaftspolitik.
Das Abkommen betrifft zehn ASEAN-Staaten, also den südostasiatischen Staaten, wie China, Thailand, Japan, Südkorea, Indonesien, Vietnam, Myanmar, Singapur und weitere zuzüglich Australien sowie Neuseeland. Nur Indien ist aus politischen Gründen nicht dabei, da Premierminister Narendra Modi die indische Autarkie-Karte spielt und sich so immer mehr in einem Konkurrenzverhältnis mit China befindet.
Zwar monieren einige, dass das RCEP-Abkommen 2022 noch nicht so gut funktioniert, wie gedacht. Es gab bspw. zu wenige Formulare und ähnliches. Doch meiner Meinung nach hat diese Freihandelszone auf jeden Fall das Zeug dazu, in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren die Weltwirtschaft radikal umzugestalten.
Wenn also ein deutsches Unternehmen in einem der Mitgliedsländer von RCEP agiert, hat dies enorme potenzielle Absatzmöglichkeiten. Die bürokratischen Verfahren werden deutlich reduziert, sie können viel kosteneffizienter agieren und so weiter.
Diejenigen, die das bis jetzt am besten gelöst haben, sind die Japaner. Aber auch die Chinesen schielen sehr stark auf RECP. Vor dem Hintergrund von RCEP sind sie dabei, parallele Lieferkettenstrukturen aufzubauen, um in den südostasiatischen Mitgliedsländern zu profitieren.
Wo sehen Sie Risiken für die deutschen Unternehmen?
Was die Risiken für deutsche Unternehmen betrifft, muss man, nicht so ins Detail gehen. Wir wissen, dass wir gerade in gewissen Bereichen, wie zum Beispiel im Pharmabereich, viel zu abhängig von China aber auch Indien gemacht haben. Das muss auf jeden Fall korrigiert und rückgängig gemacht werden. Ich bin da durch und durch chinesisch. Damit meine ich das „Sowohl-als-auch-Mindset“. Wir sollten das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wir brauchen eine zügige Diversifikation der Lieferketten innerhalb Asiens und wir sollten die großen Chancen des RCEP-Abkommen nutzen.
Ich bin kein Freund von übereilten Schritten, wie dem Schließen von chinesischen Standorten nur aufgrund der Menschenrechtssituation. Beispielsweise haben wir jetzt das Lieferkettengesetz. Das ist ein typisches Beispiel für überbordenden Bürokratismus in Deutschland und doppelte Standards.
Welches Fazit wollen die unseren Lesern mitgeben?
Ich möchte ich den Mittelstand ausdrücklich loben. In der deutschen Politik fehlt ausreichende China- oder Asienkompetenz. Aber wenn es diese gibt, dann im Mittelstand. Ich denke der Mittelstand hat in den letzten zwanzig Jahren einen sehr guten Job gemacht, die Chancen, die China und Asien geboten haben, zu nutzen.
Daher ermutige ich die Unternehmen dazu, den Kopf nicht in den Sand stecken. Vielmehr gilt es mit einer nüchternen strategischen Herangehensweise, die Zusammenarbeit zu modifizieren. Dazu dürfen die Mittelständler China nicht mehr als verlängerte Werkbank bzw. günstigen Produktionsstandort betrachten. Günstig produzieren kann man bspw. auch in Osteuropa. In vielen Geschäftsbereichen und Branchen werden China und weitere Teile Asiens immer innovativer. Daher ist es sehr wichtig, am Ball zu bleiben, um auch wettbewerbsfähig zu bleiben, was den Technologievorsprung betrifft.
Außerdem müssen die Chancen der Zusammenarbeit gesehen und genutzt werden. Aber mit einem klaren Blick und mit einer gewissen Vorsicht. Daher plädiere ich einmal mehr dafür, China und Asien nicht zu dämonisieren, es aber auch nicht zu idealisieren. Sondern – ganz chinesisch – das eine tun, ohne das andere zu lassen. Das heißt, auf seine Interessen achten, seine Kronjuwelen bei sich behalten, auch was den Technologietransfer betrifft, aber trotzdem die Chancen nutzen und vielleicht auch mal ein paar innovative neue Ideen und neue Wege andenken. Gerade RCEP bietet den Unternehmen große Möglichkeiten mit anderen asiatischen Partnern und in China aktiv zu sein.
Hier sind weitere Teile der Serie „Chinas Seele verstehen“ aufgeführt
Teil 1: Warum mittelständische Unternehmen sich nicht gänzlich von China und Asien abwenden sollten
Teil 3: China strebt die Weltspitze an: Was ist deren Erfolgsgeheimnis
Teil 4: Die Politisierung der Wirtschaft Chinas verstehen
Über Prof. Dr. Karl Pilny
Der internationale Wirtschaftsanwalt Prof. Dr. Karl Pilny gilt als einer der profundesten Asienkenner im deutschsprachigen Raum. Der japanisch-sprechende Investmentexperte hat viele Jahre in Asien gelebt und in den vergangenen dreißig Jahren zahlreiche Investitionen in und nach Asien begleitet. Prof. Dr. Pilny ist Geschäftsführer der auf Markteintritte in Asien spezialisierten Beratungsgesellschaft asia21 GmbH in Zürich und darüber hinaus seit vielen Jahren als Unternehmer und Business Angel tätig. Mit der Dealmaker.io GmbH und dem Asia Strategy Institute beim BWA in Berlin verhilft er europäischen Unternehmern zum erfolgreichen Eintritt in asiatische Märkte und begleitete asiatische Firmen auf ihrem Weg nach Europa.
Neben einem starken Netzwerk in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ist Pilny gefragter Keynote Speaker und Autor diverser Bücher mit Asienbezug. Bekanntheit erlangte insbesondere seine Trilogie „Das asiatische Jahrhundert“. Diese ist beim Campusverlag erschienen und umfasst „Das asiatische Jahrhundert“ (Ostasien), „Tanz der Riesen“ (Südasien) und „Tiger auf dem Sprung“ (Südostasien). Ferner erschien 2010 beim Finanzbuchverlag München sein „Investment Guide Asien“. „Asia 2030 – was der globalen Wirtschaft blüht“, die Fortsetzung der Trilogie, wurde 2019 für den getAbstract International Book Award nominiert.
Mitgründer und Geschäftsführer von Dealmaker.io GmbH
Prof. Pilny ist Mitgründer und Geschäftsführer von Dealmaker.io GmbH. Dies ist für Leser interessant, wenn es darum geht, wie sich in Asien aufstellen, wie sie lokale Partner vort Ort finden oder wie man reagiert, wenn asiatische und chinesische Unternehmen beispielsweise die Lieferketten aus ihrer Perspektive umstrukturieren. Als digitaler Transaktionsberater hilft Dealmaker.io zudem bei allen Fragen rund um den Unternehmensverkauf.
Newsletter Pilnys Asia Insights
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Was genau muss bei Geschäften und bei der Zusammenarbeit mit Chinesen beachtet werden? Was ist dabei zwingend zu vermeiden? Wie werden Verhandlungen geführt? Was sind die Besonderheiten der Vertragsgestaltung oder auch des Steuerrechts? Welche Regularien sollte man unbedingt kennen und welche Gesetze sind besonders wichtig? Aber auch was bedeutet ein „Ja“ oder welche Rolle spielen Visitenkarten oder Gastgeschenke? Dieser praktische Ratgeber liefert Antworten für diese und viele weiteren Fragen! Unverzichtbar für alle, die sich sicher und erfolgreich im Reich der Mitte bewegen wollen.
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- Mit praktischen Tipps und direkt einsetzbaren Arbeitshilfen
Kontakt:
Kloepfel Group
Christopher Willson
Tel.: 0211 941 984 33
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