Die Politisierung der Wirtschaft Chinas verstehen
Ist die Politisierung der Wirtschaft Chinas eine Gefahr für Mittelständler?
Meines Erachtens wird die Politisierung der Wirtschaft, Datenschutzgesetze und so weiter vom Westen zu hoch aufgehängt. Dabei sind das alles nur Instrumente der chinesischen Regierung. Mit anderen Worten die Wirtschaftspolitik, das Rechtssystem und all diese Themen, sind Tools, die alle dem großen Ziel untergeordnet sind. Und das große Ziel ist eben, dass China wieder dahin zurückwill, wo es Jahrtausende lang war – an die Weltspitze.
Wie denken die chinesischen Bürger über die Wirtschaftspolitik der Zentralregierung?
Das ist ein wichtiger Punkt: Alle Chinesen wollen, dass ihr Land die Weltspitze erobert – und nicht nur die kommunistische Partei. Die ist mit hundert Millionen Mitglieder die größte kommunistische Partei der Welt. Sie haben 2021 ihr hundertjähriges Bestehen gefeiert. Doch der Blick muss auf das gesamte Land gehen. Die großen Ziele Xi Jinpings vereinen nahezu alle Chinesen. Deswegen hat sich da auch so ein immer stärkerer Nationalismus und auch Chauvinismus breit gemacht.
Welchen Einfluss haben chinesische Unternehmen auf die Politik der Partei?
Die Partei und die Bürger wollen da wieder hin, wo sie Jahrtausende lang waren, an die Weltspitze. Das prägt ihr gesamtes Denken und Handeln. Und da dort das Gemeinwesen viel wichtiger ist als der Einzelne und einzelne Unternehmen, gehen sie auch nach langfristigen Plänen vor. Tech-Unternehmen wie Alibaba wurden zurückgepfiffen und zurückgestutzt. Das ist ein Trend, der sich angekündigt hat. Die Politisierung der Wirtschaft wird weitergehen, weil in China das Primat der Politik gilt.
Das heißt, wir dürfen nicht den Fehler machen, diese erfolgreichen Unternehmer in China zu verklären und zu glauben, dass die jetzt große Macht haben, um einen Systemwechsel von Innen herbeizuführen. Zum einen interessiert es die Unternehmen nicht. Zum anderen haben sie diese Macht nicht, sondern sind ganz eng eingebettet in ein dichtes Korsett an politischen Kommissaren, an Komitees in ihren Unternehmen und haben wenig Spielraum.
Der Westen darf nicht den Fehler, das anders zu sehen. Vielmehr müssen wir verstehen, dass China eine sehr kompetente politische kollektive Führungsschicht hat.
Welchen Einfluss hat die Chinas Politik auf die chinesischen Unternehmen? Und warum ist das für unsere Wirtschaft wichtig?
Gerade wenn man in strategisch wichtigen Branchen im Dachraum ist, muss man sich vor Augen halten, dass man es eigentlich nicht mit dem direkten chinesischen Gesprächspartner auf Unternehmensseite zu tun hat. Vielmehr hängt dahinter im Zweifel eine ganze Staatsabteilung oder eine Wirtschaftsabteilung in einem Ministerium in Peking. Das betrifft die Zentralregierung aber auch die Provinzregierungen.
Deutschsprachige Unternehmen haben es in der Regel immer mit drei Leveln an Machtnetzwerken zu tun, die sich unter Umständen einmischen. So die Zentralregierung in Peking, die die ganz großen Leitlinien vorgibt. Stichwort Fünfjahresplan und die großen Projekte wie Made in China 2025, wo das Land in den strategisch wirklich wichtigen Branchen weltweit führend sein will. Dann gibt es die Provinzregierungen. Die können durchaus fünf oder vier Mal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland sein. Und schließlich gibt es die regionale Gemeindeebene.
Auf all diesen drei Ebenen gibt es eben Handlungs- und Klärungsbedarf, dann müssen Prozesse entsprechend optimiert. Wenn Sie also mit einem chinesischen Käufer, Verkäufer oder Joint Venture Partner gegenübersitzen, sitzt der nicht allein da. Vielmehr sind da – gedanklich gesehen – eine Reihe Leute und Abteilungen beteiligt. Das erschwert die Zusammenarbeit und birgt Risiken für die Unternehmen. Dazu kommen für die mittelständischen Unternehmen im Dachraum hiesige bürokratische Prozesse hinzu, die die Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen nicht einfacher machen.
Natürlich versucht die Bundesregierung, strategische Schwerpunkte zu setzen. Aber wir sind bei weitem nicht so strategisch unterwegs, wie die Chinesen. Das hat auch kulturelle Gründe, wie ich in meinem Buch „Praxiswissen China (Link Amazon)“ ausführlich darstelle und herleite. China ist seit 3.000 Jahren durch konsequentes strategisches Denken und Führen geprägt. Das betrifft heute sowohl die Verhandlungen mit chinesischen Geschäftspartnern als auch die Regierung und ihre wirtschaftspolitischen Strategien. Dies müssen Unternehmen beachten, um Risiken für die eigenen Lieferketten zu erkennen und abzuwehren.
Hier sind weitere Teile der Serie “Chinas Seele verstehen” aufgeführt
Teil 1: Warum mittelständische Unternehmen sich nicht gänzlich von China und Asien abwenden sollten
Teil 2: Freihandelsabkommen RCEP: Große Chancen für den Mittelstand
Teil 3: China strebt die Weltspitze an: Was ist deren Erfolgsgeheimnis
Über Prof. Dr. Karl Pilny
Der internationale Wirtschaftsanwalt Prof. Dr. Karl Pilny gilt als einer der profundesten Asienkenner im deutschsprachigen Raum. Der japanisch-sprechende Investmentexperte hat viele Jahre in Asien gelebt und in den vergangenen dreißig Jahren zahlreiche Investitionen in und nach Asien begleitet. Prof. Dr. Pilny ist Geschäftsführer der auf Markteintritte in Asien spezialisierten Beratungsgesellschaft asia21 GmbH in Zürich und darüber hinaus seit vielen Jahren als Unternehmer und Business Angel tätig. Mit der Dealmaker.io GmbH und dem Asia Strategy Institute beim BWA in Berlin verhilft er europäischen Unternehmern zum erfolgreichen Eintritt in asiatische Märkte und begleitete asiatische Firmen auf ihrem Weg nach Europa.
Neben einem starken Netzwerk in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ist Pilny gefragter Keynote Speaker und Autor diverser Bücher mit Asienbezug. Bekanntheit erlangte insbesondere seine Trilogie „Das asiatische Jahrhundert“. Diese ist beim Campusverlag erschienen und umfasst „Das asiatische Jahrhundert“ (Ostasien), „Tanz der Riesen“ (Südasien) und „Tiger auf dem Sprung“ (Südostasien). Ferner erschien 2010 beim Finanzbuchverlag München sein „Investment Guide Asien“. „Asia 2030 – was der globalen Wirtschaft blüht“, die Fortsetzung der Trilogie, wurde 2019 für den getAbstract International Book Award nominiert.
Mitgründer und Geschäftsführer von Dealmaker.io GmbH
Prof. Pilny ist Mitgründer und Geschäftsführer von Dealmaker.io GmbH. Dies ist für Leser interessant, wenn es darum geht, wie sich in Asien aufstellen, wie sie lokale Partner vort Ort finden oder wie man reagiert, wenn asiatische und chinesische Unternehmen beispielsweise die Lieferketten aus ihrer Perspektive umstrukturieren. Als digitaler Transaktionsberater hilft Dealmaker.io zudem bei allen Fragen rund um den Unternehmensverkauf.
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Über das Buch „Praxiwissen China“
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