Diplomatie am Fließband. Warum immer mehr deutsche Unternehmen eine wirtschaftliche Brücke nach Russland schlagen.
Der Westen befürchtet mittlerweile einen kalten Krieg mit Russland. Hackerangriffe. Meinungsmache. Aufrüstung. Doch viele Mittelständler trotzen den politischen Spannungen und haben russische Unternehmen längst als wichtige Partner entdeckt.
Um dem verschärften Wettbewerb auf dem russischen Automobilmarkt gewachsen zu sein, bauten viele deutsche Fahrzeug- und Sonderfahrzeugbauer neue Produktionswerke unmittelbar in Russland auf. Im Zuge dieser Entwicklung zogen viele Zulieferer nach. So entstand ein hochqualitativer Markt der Zulieferer in Russland, der allen Automobilindustrieanforderungen entspricht. „Just in Time“ oder „Just in Sequence“ sind für die Player des russischen Marktes keine Fremdbegriffe. Liefertreue und Lieferqualität wurden ebenfalls auf das entsprechende Niveau gebracht.
Mit der Ukrainekrise hat sich die Situation allerdings dramatisch verändert. Durch die Senkung der Rubelwährung nahm die Kaufkraft der Bevölkerung rapide ab. Das führte zu starken Einbußen in den Absatzzahlen der Fahrzeugbauer (Original Equipment Manufacturers, OEM). Aus diesen Gründen suchen viele russische Unternehmen, die über die neusten und qualitativ besten Technologien verfügen, nach neuen Aufträgen. Viele dieser Firmen beschaffen aufgrund des schwachen Rubels ebenfalls Rohstoffe im russischen Markt, was für zusätzliche Vorteile bei der Preisgestaltung der Produkte sorgt.
Absatzmarkt Russland
Zudem ist Russland nach wie vor dabei, seine Infrastrukturen neu aufzustellen: beispielsweise die Bereiche Landwirtschaft, Energie, Straßen, Kliniken oder Schulen.
Hier besteht seitens Russlands Bedarf nach entsprechenden Maschinen und Arbeitsgeräten. Die Sanktionen setzen hier neue Akzente. Die entsprechenden Maschinen braucht Russland so oder so. Hier bieten sich den Russen Nationen wie die Türkei oder China an, wo europäische Firmen entsprechende hochwertige Produktionsstätten aufgebaut haben.
Aus den genannten Gründen ist es wichtig, dem russischen Markt mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Kloepfel Consulting unterstützt deutsche Firmen bei der Neuerschließung des russischen Marktes.
Die Einkaufsspezialisten lokalisieren neue Lieferanten, die allen Anforderungen ihrer deutschen Kunden entsprechen und unterstützen bei der Lösung logistischer und zolltechnischer Fragen.
Interview: Deutschrussische Wirtschaftsbeziehungen haben viel Potenzial
Kloepfel Magazin: Welchen Chancen bietet Russland mittelständischen Einkäufern?
Dimitri Lagun: Der Rubel ist gegenüber dem Euro stark gesunken und die Beschaffungspreise sind in Rubel geblieben. Damit ist der russische Beschaffungsmarkt alleine preislich für deutschsprachige Einkäufer deutlich attraktiver geworden. Interessant sind beispielsweise die Holzverarbeitung, sowie die Möbel-, Papier und Stahlindustrie. In diesen und anderen Branchen wandert viel hochwertiges technisches Knowhow aus Ländern wie China nach Russland. Dieses verkürzt die Logistikwege nach Europa, was wiederum für europäische Unternehmen interessant ist.
Kloepfel Magazin: Wo sind in Russland die größten Expansionschancen für die deutschsprachige Wirtschaft?
Dimitri Lagun: Deutschrussische Wirtschaftsbeziehungen haben viel Potenzial. Russland ist ein großer Absatzmarkt, beispielsweise für deutschsprachige mittelständische Maschinen- und Anlagenbauer. So kommt es durch die Sanktionen, dass Russland verstärkt die hiesige Landwirtschaft auf ein neues Niveau stellt, wodurch der Bedarf nach Landwirtschaftsmaschinen steigt. Auch russische Automobilzulieferer suchen bei deutschen Landmaschinenherstellern neue Absatzmärkte. Während früher die Lokalisierungschancen für Ersatzteile bei 30 % bis 40 % lagen, finden sich geeignete Teile in Russland heute schon zu 60 % bis 70 %.
Auch die kommunalen Strukturen werden in Russland neu aufgestellt. Wasser, Straßen, Schulen, alternative Energiequellen und Kliniken beispielsweise. Hier hat Russland großen Bedarf, für den Ausbau die entsprechend erforderlichen Produkte einzukaufen. Die Sanktionen setzen bei der Beschaffung neue Akzente. Denn beschaffen müssen wir so oder so. Hier bieten sich Russland Nationen wie die Türkei oder China an.
Kloepfel Magazin: Wie reagieren russische Unternehmen auf die Sanktionen?
Dimitri Lagun: Wegen der Sanktionen werden russische Unternehmen ihre Beschaffung neu aufstellen. Nehmen Sie die Türkei. Hier haben europäische Firmen Werke aufgebaut, die mit ihrem Knowhow und günstigen Konditionen sehr interessant für die russische Wirtschaft sind. Für China gilt ähnliches; auch hier konnten viele hochwertige Produkte in den produzierenden Industrien transferiert werden. So gibt es immer mehr hochwertige chinesische Projekte mit vielstelligen Millionenbudgets.
Kloepfel Magazin: Wie gefährdet die Politik deutschrussische Wirtschaftsbeziehungen?
Dimitri Lagun: Blicken wir nach vorne. Viele deutsche und russische Unternehmen haben erkannt, dass sich gemeinsame Geschäfte auszahlen, Synergien und Wettbewerbsvorteile bringen. Durch die Sanktionen wird dies gedämpft aber nicht begraben. In der EU herrscht zudem bald ein Negativzins. Das heißt Sie zahlen den Banken alleine Geld dafür, dass diese Ihr Geld aufbewahren. Hingegen gibt es in Russland viele Investitionsmöglichkeiten. Besonders in der aktuellen Periode ist es wichtig, dass Berater wie wir für die Aufrechterhaltung und Aufbau der deutschrussischen Geschäftsbeziehungen sorgen. Sobald die Sanktionen sich lockern, werden dann die deutschen Unternehmen in der Pole Position stehen, die heute schon gute Beziehungen nach Russland aufbauen und pflegen.
Kloepfel Magazin: Was sind die wichtigsten wirtschaftlichen Herausforderungen für Russland?
Dimitri Lagun: Russland wird unter anderem den Ausbau seiner Landwirtschaft, seiner Infrastrukturen oder seiner alternativen Energiequellen forcieren.
Da Importe durch den schwachen Rubel teurer wurden und aufgrund der höheren russischen Bankenzinsen, müssen russische Unternehmen über alternative Finanzierungskonzepte nachdenken. Hierfür ist Knowhow nötig. Förderungen russischer Unternehmen wiederum sind von der Branche und der Region, in der das Unternehmen sitzt, abhängig. Ist die Politik dann an dem Wachstum des Unternehmens interessiert, bieten sich Förderungen beispielsweise durch das Erlassen von Steuern oder durch Preisnachlässe bei der Energieversorgung an.
In vielen Fällen hilft eine qualifizierte Beratung, um die Entwicklungswege gründlich und präzise festzulegen. Wenn russische Unternehmer Ihr Wachstum planen, sollten sie alternative Finanzierungskonzepte und Fördermöglichkeiten vorher ausgelotet haben, um Planungssicherheit zu bekommen.
Vielen Dank für das Interview!