Versorgungskonzepte
Aktuell prägen Mangelsituationen viele Lieferketten. Eigentlich arbeiten die Unternehmen daran, traditionelle Lieferketten noch direkter mit den Anforderungen der Endkunden zu koppeln.
Den Puls der Kunden fühlen und weitergeben
Die Lieferkette von Dell war lange Zeit das Vorbild. Der Kunde wählt seine spezifische Konfiguration aus und geht mit dem Online-Warenkorb an der Kasse vorbei. Erst nach Auftragseingang beschafft Dell die Komponenten bei den Lieferanten, um das IT-Gerät bedarfsgerecht mit den spezifisch konfigurierten Bauteilen vor dem Versand zu montieren. Neben zufriedenen Kunden ist das Nettoumlaufsvermögen negativ, da Dell das Geld von den Kunden erhält, bevor die Kreditoren zur Zahlung fällig werden.
Der klassische Maschinen- und Anlagenbau kann davon nur träumen. Bis zur Abnahme kann sich die Wertschöpfung über viele Monate hinziehen. Die Endkunden sind sich an die vielmonatigen Lieferzeiten gewohnt. In ausgewählten Sektoren mag ein Bedarfsträger indessen nicht mehr so lange zuwarten, sondern will spätestens nach rund einem Monat eine spezifische Maschine nutzen oder eine Anlage einbauen können. Derjenige unter den Anbietern, der eine ähnliche Maschine am Lager hat oder die Erstellung in der sportlichen Zeit schafft, besitzt einen klaren Wettbewerbsvorteil. Der eine oder andere Hersteller mag sich damit behelfen, in der kurzen Zeit bis zur Auslieferung eine ähnliche Maschine umzurüsten, soweit das technisch möglich und erforderlich ist. Die grundsätzliche Herausforderung bleibt ungelöst, nämlich gemeinsam mit den Lieferanten die Wertschöpfungsketten viel direkter mit den Kundenanforderungen zu koppeln. Und lange Wiederbeschaffungszeiten, hohe Lager- und Sicherheitsbestände, unverkäufliche Ladenhüter sowie verlorene Kundenaufträge möglichst zu vermeiden.
Lean-Prinzipien in der Montage
Zunächst wird etwa die interne Montage schlank aufgestellt, um die eigenen Durchlaufzeiten zu verkürzen und die Flexibilität zu erhöhen, indem auf Zwischenlager verzichtet wird und Ineffizienten ausgemerzt werden. Es werden bekannte Lean-Prinzipien wie eine Fließfertigung oder eine Taktmontage eingeführt. Alsdann sind auf der Beschaffungsseite die Lieferanten direkter anzubinden. Die schlanken Abläufe werden gedanklich auf die Lieferanten erweitert. Ob es real gelingt, hängt an einer ganzen Reihe notwendiger Voraussetzungen ab.
Rollierende Bedarfsvorschau
Der Endbedarf lässt sich oft nur unscharf prognostizieren. Kleine Veränderungen in der Nachfrage werden überinterpretiert und verstärken sich entlang der Lieferkette bis zur Beschaffungsquelle der kleinsten Einzelteile. Dieser Peitschen-Effekt ist zu vermeiden. Ein möglicher Ansatz besteht darin, den Bedarf rollierend abzuschätzen und im Zeitverlauf über die offene Offerten immer stärker zu präzisieren, bis schließlich konkreten Bestellungen eintreffen. Die Information ist laufend in der Lieferkette transparent zu kommunizieren. Zu Beginn erhält der Lieferant nur eine pauschale Einschätzung zur Entwicklung des Absatzes im kommenden Jahr, was zumindest bei der groben Planung und Reservation der Ressourcen hilft. In einem nächsten Schritt mögen sich Akzente bei der Sortimentsentwicklung abzeichnen. Schließlich lassen sich aus offenen Angeboten und über Erfahrungswerte präziser mögliche Produktausprägungen erkennen.
Hausaufgaben bei den Lieferanten
Auch die Lieferanten sind gefordert, die Wertschöpfung ihrer Schlüsselkomponenten ebenfalls möglichst schlank und mit kurzen Durchlaufzeiten aufzustellen. Nur so haben sie eine Chance, auf wechselnde Anforderungen hinreichend rasch zu reagieren. Zur Beseitigung eines typischen Engpasses wird Rohmaterial mit langen Vorlaufzeiten in Grundvarianten beschafft und werden allenfalls Standardkomponenten vormontiert. Auch extreme Langläufer werden proaktiv beschafft. Auf der Basis der rollierenden Bedarfsvorschau und der vereinbarten Spielregeln segelt der Lieferant möglichst nahe am Wind. Abrufbestellungen können mit einer kurzen Durchlaufzeit in der Montage finalisiert und ausgeliefert werden. Natürlich hat jede Wertschöpfungskette ihre Eigenheiten und entsprechend differenzierte Lösungsansätze.
Workshops und Wertstromanalysen mit den Lieferanten
Die Versorgungskonzepte hängen von der Spezifität des Materials und den Eigenheiten der Wertschöpfung ab. Für die einzelnen Segmente in der logistischen ABC/XYZ-Analyse können typische Analysen gefahren und Lösungsansätze definiert werden. Geringwertige Standardteile mit kontinuierlichem Verbrauch werden über Kanban nachgeschoben.
Für werthaltige und aufwändig herzustellende Komponenten mit projektspezifischer Ausprägung können gemeinsam mit den Lieferanten im Rahmen einer Wertstromanalyse Lösungsansätze identifiziert werden. Wertstromanalysen werden vor Ort durchgeführt. Die Wertschöpfung wird gemeinsam analysiert, und es werden wichtige Kennzahlen erfasst. Mit langjähriger Erfahrung und oft auch im Vergleich mit ähnlichen Lieferanten sind zeittreibende Restriktionen rasch erkennbar. Wenn der Lieferant weiterhin großes Interesse an einer Zusammenarbeit hat, so fällt es nicht schwer, sich auf die prioritären Maßnahmen zu verständigen. Die Durchlaufzeit kann zumeist deutlich reduziert werden.
Etwa für aufwändige Schweißbaugruppen wird die notwendige Kapazität mit Vorlauf reserviert und allenfalls das Rohmaterial über eine Vormaterialfreigabe bereitgestellt. Die Optimierungsansätze umfassen einfache organisatorische Maßnahmen bis zu mittelfristigen Investitionsvorhaben.
Spielregeln in der Zusammenarbeit
Für jeden Lieferanten ist die spezifische Lieferkette zu identifizieren und die spezifischen Anforderungen zu verstehen. Ein Lieferant arbeitet etwa mit einer internen Oberflächenbearbeitung, wohingegen ein weiterer Lieferant sich mit einem externen Partnerlieferant arrangiert hat. Gemeinsam können konkrete Optimierungsansätze entwickelt werden. Bezüglich der einzugehenden Risiken ist ein Interessensausgleich zwischen Lieferanten und Abnehmer anzustreben. Dazu sind insbesondere die Spielregeln der Zusammenarbeit zu konkretisieren. Schriftlichkeit ist einem Handschlag vorzuziehen, etwa durch eine Logistikvereinbarung oder Rahmenvereinbarungen mit Spielregeln zu Mengenkontrakten.
Der richtige Lieferant für die richtigen Teile
Die Frage ist auch, welche Teile und Baugruppen gehen zu welchen Lieferanten. Die richtigen Maschinen, Einrichtungen, Wertschöpfungsstufen und Ressourcen müssen zur Verfügung stehen, um sowohl preislich wie auch bezüglich der Durchlaufzeiten mitzuhalten. Im Zweifel steht ein Lieferantenwechsel an, um die Wiederbeschaffungszeit weiter zu reduzieren und sehr wahrscheinlich auch die Preise.
Fazit
Um Wiederbeschaffungszeiten zu reduzieren und Lieferketten eng mit den Anforderungen der Endkunden zu synchronisieren, ist die Transparenz in der Lieferkette und eine offene Kommunikation mit den Lieferanten das A und O. Allerdings ist nicht nur ein Schlüssellieferant, sondern die Mehrheit der zeitkritischen Lieferanten auf die zukünftigen Anforderungen auszurichten, ansonsten der schwarze Peter nur von einem Engpass zum anderen weiterwandert.
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